Freinsheim - Das mittelalterliche Städtchen

Aus dem vor einigen Jahrzehnten noch verschlafenen, ziemlich vergessenen pfälzischen Bauerndorf Freinsheim ist im Laufe der Jahre eine springlebendige bekannte Ortschaft geworden, die sich trotz ihrer Kleine sogar "Stadt" nennen darf. Im bunten Reigen pfälzischer Sehenswürdigkeiten nimmt Freinsheim eine ganz besondere Stellung ein. Hat sich doch hier kaum in einer anderen Stadt oder Gemeinde unseres Heimatraumes ein echtes Stück Mittelalter bis in unsere Tage herüberzuretten vermocht. Mächtige Stadttore, zahlreiche Türme - zum größten Teil heute noch bewohnt - und eine Befestigungsmauer von nahezu einem Kilometer Länge umschließen den Stadtkern, dessen eindrucksvollster Mittelpunkt die gotische Kirche und das barocke Rathaus darstellen. Die erhaltene Stadtmauer umschließt unzählige liebenswürdige Bauwerke, die mit Sorgfalt und Sinn fürs Auge restauriert ein Ensemble darstellen, dessen Charme sich den Besuchern beim Stadtbummel erschließt. Zum Verweilen laden der hervorragende Wein im Zusammenspiel mit Pfälzer Köstlichkeiten, von erstklassigen Küchenmeistern zubereitet ein. Unweit der Deutschen Weinstraße gelegen, hat sich Freinsheim aus der Reihe reizvoller Orte als Geheimtip herauskristallisiert, das schon lange kein Geheimtip mehr ist. War es früher die in Weinberge gebettete, etwas versteckte Lage in mildem Klima - besonders schön vom Friedhof aus zu sehen - die den beschaulichen Ort für Kenner attraktiv machte, so sind es jetzt mehr und mehr die weit über die kommunalen Grenzen hinaus zur Tradition gewordenen Weinfeste, die regelmäßig ihre Freunde anziehen. Der Wein öffent die Herzen und die Winzer, die ihn bereitstellen, haben schon lange ihr Herz an den Wein verloren. Sie sind immer bereit, die köstlichen Lagen auf Flaschen gezogen - sei es als Riesling, Dornfelder oder neuerdings auch Chardonnay - aus ihrem kühlen Kellern ans Tageslicht zu holen, um sie ihren Gästen zu kredenzen. Auch das ist bemerkenswert: Der Ort zeichnet sich durch eine besondere offene, jederzeit anzutreffenede Gastfreundschaft aus. Ganz gleich, ob in der Woche, an einem Sonn- oder Feiertag, in Freinsheim sind sie immer herzlich willkommen. Hier ist der Gast König.

Geschichte
Schon in der Steinzeit war dieser Raum wie Funde beweisen, bewohnt. Zahlreiche Gräber aus der Urnenfelderzeit um 1.000 v.Chr. deuten weiter hin auf das Vorhandensein einer Siedlung. Auch die Römer erkannten die für den Rebstock so günstige klimatische Lage. Ihnen verdankt der heutige Winzer diese so wertvolle Pflanze, deren Produkt, der Wein, die Geschichte des Ortes bis in unsere Tage ununterbrochen begleitet. Ein ausgedehnter Merowingerfriedhof auf dem Gelände des heutigen Obstgroßmarktes setzt ein geordnetes Gemeinwesen voraus. Bereits zur Zeit Karl des Großen wird Freinsheim urkundlich in den Aufzeichnungen des Klosters Weißenburg und Lorsch erwähnt, die auch Wein von hier bezogen. In den meisten Urkunden des Hoch- und Spätmittelalters erscheinen schon die Namen heute noch bekannter Weinlagen. Zehntwein aus Freinsheim wurde bis zur Französischen Revolution an zahlreiche Klöster und Stifte des ehemaligen Bistums Worms und des heutigen pfälzischen Raumes geliefert. Wir wissen zwar nicht, wann und durch wen Freinsheim so eindrucksvoll befestigt wurde. Ursprünglich ein Dorf, das im Mittelalter mehreren Rittergeschlechtern gehörte, kam es im Jahre 1471 endgültig zur Kurpfalz, bei der es mehr als 300 Jahre verblieb. Trotz der Bauernaufstände im Jahre 1525, wurde Freinsheim bald Unteramtstadt und von 1723 bis 1743 sogar Sitz eines kurpfälzischen Oberamtes. Mit dem Einbruch der Französichen Herrschaft um 1790 ging die Stadt aller Privilegien verlustig und ist bis zum heutigen Tag Gemeinde geblieben. Glücklich über die Wirren des 30-jährigen Krieges hinweg gekommen - ereilte dann im JAhre 1689 die mittelalterliche Stadt das nämliche Schicksal wie Heidelberg, Speyer oder Worms. Der alte Stadtkern sank in Schutt und Asche. Übrig blieben die Tore und Türme, die Mauer und der Turm der ehemaligen Gottesackerkapelle, die schon im 13. Jahrhundert Erwähnung findet.  Ein verstärkter Wiederaufbau setzte nach 1700 ein, immer aber noch innerhalb des alten Mauergürtels. Erst im 19. Jahrhundert erfolgt eine Ausdehnung nach Norden und Westen. Heute zählt Freinsheim rund 3.600 Einwohner. Besondere Erwähnung verdienen der 1902 gegründete Obstgroßmarkt, der älteste der Pfalz, der 1012 ins Leben gerufene Winzerverein, eine Süßmosterei und zwei Tongruben. Wein aus den Lagen Goldberg, Musikantenbuckel, Rosenbühl, Liebfrauenberg und Oschelskopf erfreuen sich bei den Kennern gleichbleibender Beliebtheit. Die jüngste Geschichte Freinsheims, seit 1979 wieder Stadt, ist geprägt von einer umfangreichen Altstadtsanierung (1978 - 1993), durch die der Ort für seine Bewohner und seine Besucher noch attraktiver geworden ist. Wer noch Zeit und Muße findet, sich in den Geist und in die Formen einer alten Kleinstadt hineinzuversetzen, dem ist in Freinsheim in reichem Maße dazu Gelegenheit geboten. Schnell sind sie im nahen "Naturpark Pfälzer Wald", der zum geruhsamen Wandern verlockt. Das gemeindeeigene Forsthaus "Lindemannsruhe" lädt zum Verweilen ein und läßt das Erlebte zur wirklichen Erholung werden.

Die Stadtmauer
Im frühen Mittelalter dürfte der Ort Freinsheim wohl mit einem aufgeschütteten "Wall" und zusätzlich mit Palisaden versehen gewesen sein. Dabei handelt es sich bei den Palisaden um Pfähle, die -oben zugespitzt- in den Boden eingerammt wurden. Dass solch ein Holzzaun noch um das Jahr 1700 zusätzlich zur Mauer vorhanden war, geht aus der Stadtrechnung aus dem Jahre 1701/02 hervor, worin es heißt, man haben noch "Pallisathen" gesetzt. In der gleichen Rechnung ist aber auch vermerkt, der Mauerer Friedrich Zimmermann habe die Stadtmauer ausgebessert. Durch solche Palisadenzäune führten Tore, die so angeschlagen waren, dass sie, wenn man sie nach außen geöffnet hatte, von selbst wieder "zufielen". Solche Tore brachte man aber auch um ein umzäuntes Gelände an, und in der obengenannten Rechnung ist vom Anbringen eines Falltores im Ried die Rede. Während nun kleine Siedlungen im allgemeinen sich mit solchen Gattern, Palisaden einigermaßen zu schützen versuchten, befestigte man größere Orte, soweit wirtschaftliche, militärische oder machtpolitische Notwendigkeiten vorlagen, mit Mauern, die oft ringförmig angelegt wurden. Wo es nötig war, passte man den Mauerverlauf der Beschaffenheit des Geländes an. Freinsheim kann man nach der Form seiner Anlage zu den zweitorigen Städten zählen, wenn auch der Mauerverlauf im Südosten, Nordosten und Nordwesten von der Rundform etwas abweicht. Eine solche Mauer steckte den inneren Ortsbereich gegen das umgebende Feld deutlich ab. Sie erhob sich gerade in der Ebene unvermittelt aus der Landschaft und gab somit der Stadt oder befestigten "Flecken" oder Dorf etwas Trutziges. So dürfte Freinsheim in der Zeit, in welcher noch keine Bauten sich außerhalb der Mauern befanden, gerade von Osten her gesehen, besonders mit dem Eisentor, eine achtungsgebietenden Eindruck gemacht haben. Selbstverständlich besaßen die Mauern der vielen befestigten Stadt oder Flecken nicht überall die gleiche Höhe oder Stärke oder Ausdehnung. Man hat im Durchschnitt eine Höhe von 8 bis 10 m und eine Stärke von 1,5 m berechnet, wobei die Mauer nach oben hin an Dicke abnahm. In ihren Untersuchungen über die Befestigungsanlagen von Freinsheim stellten W. Schirmer und K. Becker fest, dass der Freinsheimer Mauerring im allgemeinen eine Höhe von 7 bis 8 m aufweist. Sein Mauerwerk besteht aus Bruchstein, meist kleineren Formats, aber auch einzelne Feuer - und Ziegelsteine sind zum Bau verwandt worden. Die Dicke des Mauerwerks beträgt am Fuß 1 bis 1,3 m und unterhalb der Krone ca. 0,8 m. In Abständen von etwa 25 bis 65 m ist die Mauer mit Türmen bestückt, und es fällt auf, dass die Richtungsänderungen im Mauerverlauf fast nur in den Kurtinen (=das ist der Mauerabschnitt zwischen zwei Türmen) zwischen den Türmen liegen, eine Eigenart, für die wir noch keine befriedigende Erklärung gefunden haben. Die Mauer erstreckt sich über eine Länge von rund 1.300 m und umschließt eine Fläche von fast 7 Hektar. Nun war der Raum innerhalb der Mauer - wie überall bei solchen Anlagen - nicht vollständig mit Häusern, Ställen, Scheunen oder sonstigen Gebäuden bebaut. Man umschloß mit der Mauer auch Gärten, freie Plätze oder sogar ansehnliche Parkanlagen. Während aber andere Orte bald über ihre Stadtmauer hinauswuchen - Landau, Kaiserslautern u.s.w. - blieb in Freinsheim die bewohnte Fläche bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts fast ausschließlich auf dem Raume innerhalb des Mauerrings beschränkt. Es ist verständlich, dass die Frage nach dem Zeitpunkt der Erbauung der hiesigen Stadtmauer immer wieder von Besuchern gestellt wird. Die auf manchen Ansichtskarten von Freinsheim aufgestellte Behauptung, die Mauer sei schon 1.000 Jahre alt, und schon 915 habe der Ort durch König Konrad die Stadtrechte verliehen bekommen, ist natürlich nicht zutreffend. Es muss zunächst festgestellt werden, dass die Ratsprotokolle erst ab 1842 vorhanden sind, so dass von dieser amtlichen Seite her keine Angaben über den Mauerbau vorliegen. Zusammenfassend darf aber gesagt werden, dass die Freinsheimer Befestigungsanlagen - und sie sind in ihrem Umfang und ihrem Erhaltungszustand in der Pfalz einmalig- vor rund 500 Jahren im allgemeinen fertiggestellt sein dürften. Ein solches Bauwerk musste, sollte seine Verteidigungsfunktion erhalten bleiben, stets unterhalten werden. Schon die Tatsache, dass Teile der Mauer aus kleinen Bruchsteinen zusammengesetzt und damit den Einflüssen der Witterung ausgesetzt waren, weist auf ihre Anfälligkeit in dieser Richtung hin. Auch in unserer Zeit brachte die Gemeinde Mittel auf, um die Stadtmauer zu erhalten. Alte an die Mauer "geklebte" Fachwerkhäuser mussten wegen Baufälligkeit abgetragen werden, an anderen Stellen ergänzte man die Mauer wieder auf die ursprünglich Höhe. Sie und die Häuser, Gassen und Plätze, die von ihr Jahrhunderte hindurch umschlossen waren und heute noch sind, bilden Inhalt eines Sanierungsplanes, der ein altes Stadtbild mit einer imponierenden Wehranlage auch der Zukunft erhalten möchte.

Stadttore
Zwei Tore sicherten einst die Eingänge zum Ort: das im Nordosten gelegene Innere Tor mit seinem Vorbau, dem heutigen Eisentor, und das Haintor, einst "Heimthor" genannt, im Südwesten mit seinem 1818 abgetragenen Vorbau.  Während sowohl das Innere Tor als auch das Haintor rechteckige Tortürme darstellen, die in den Ring der Stadtmauer eingefügt sind, stellten bzw. stellen die Vortürme Rundbauten dar. Diese Vorbauten bildeten eine Verstärkung der Haupttore. Wer von Osten sich Freinsheim nähert, wird wohl zunächst durch das mächtige Eisentor beeindruckt werden, ein Tor, das in dieser Form und in diesen Ausmaßen in der Pfalz und weit darüber hinaus als einmalig bezeichnet werden kann. Zu diesem Eisentor bemerkten Becker/Schirmer: Das Vortor mit seinen beiden mächtigen, im Grundriß einen Dreiviertelkreis beschreibenden Rundtürmen von ca. 8 m Durchmesser ist nahezu vollständig erhalten. Das Untergeschoss der Türme ist mit einer unregelmäßigen Kuppel überwölbt und besitzt je zwei verschließbare Schießscharten, das ungedeckte Obergeschoss drei bzw. vier Schießscharten. Über der Durchfahrt sind die Obergeschosse der beiden Türme durch einen Laufsteg verbunden. Das Mauerwerk des Tores sowie der dem Tor zugewandten Seiten der Türme besteht aus sauber abgesetzten Quadern, das den torabgewandten Seiten aus Bruchstein unterschiedlicher Größe. Ein Bogenfries trägt das Obergeschoss. Über der Durchfahrt das kurpfälzische Wappen. Dieses Wappen trägt die Jahreszahl 1514. Zum Haintor schreiben Becker/Schirmer: Das Haintor steht als rechteckiger, allseitig geschlossener Torturm mit halber Tiefe vor der Mauerflucht. Spitzbogige Durchfahrt. Über dem Tonnengewölbe zwei zu einer Wohnung ausgebaute Geschosse. Noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts war das Haintor einer der beiden einzig möglichen Wege, in die Stadt hinein oder aus ihr herauszukommen. Trutzig steht der 15 m hohe rechteckige Turm vor uns. Wilder Wein rankt sich an ihm hoch. Wind und Wetter ließen das hölzerne Fallgatter vergrauen. Doch was wir heute sehen ist nur ein Fragment desen, was das wahrscheinlich im 15. Jahrhundert erbaute Tor einmal darstellte. Vermutlich sah es einmal so aus, wie die Rekonstruktion zeigt. Der ursprünglich höhere Turm verlor sein oberstes Stockwerk 1689, das baufällige Vorwerk bracht die Gemeinde 1818/19 ab. Engagiert, fachmännisch und liebevoll haben die Mitglieder des Gewerbevereins Freinsheim das Haintor renoviert und restauriert. Das ehemalige Stadttor, das die Stadtmauer nach Südwesten öffnet, kann für kleine Festlichkeiten -beispielsweise für Weinproben- gemietet werden. Der Turm hat zwei Stockwerke und bietet Platz für 30 - 50 Personen.